Auch aus moralischer Perspektive vertretbar – der Widerrufs-Joker

Zahlreiche Verträge für Baukredite werden derzeit aufgrund fehlerhafter Ausfertigung widerrufen. Darlehensnehmer nutzen die Möglichkeit des Widerrufs, um auf günstigere Angebote umzusteigen. Kritiker sehen darin egoistische und moralisch kaum vertretbare Handlungsweisen, doch ist diese Annahme falsch.

Die Situation anhand eines Beispiels erklärt

Wer in Zeiten hoher Kreditzinsen eine Baufinanzierung beantragt, ging damit einen Vertrag ein, der zur Abnahme des damit verbundenen Darlehens verpflichtete. Wenn sich der Vertrag mittlerweile als fehlerhaft aufgesetzt herausgestellt hat, kann der Kreditnehmer den Widerrufs-Joker ziehen. Natürlich muss die Baufinanzierung mit einem neuen, rechtlich einwandfreien Darlehensvertrag fortgesetzt werden, wobei sich die aktuell geltenden Niedrigzinsen als äußerst vorteilhaft erweisen.

Genau diese Vorgehensweise wird aber von Kritikern als egoistisch und unmoralisch bezeichnet, weil sie zulasten der Kredit gebenden Banken geht. Zudem vermuten die Gegner des Widerrufsrechts, dass sich Kreditnehmer zur eigenen Bereicherung aus unterschriebenen Verträgen winden möchten. Experten weisen jedoch darauf hin, dass der Widerrufs-Joker keine Gnade, sondern verbrieftes Verbraucherrecht ist. Selbst wenn sich, angesichts der augenblicklichen Situation, die Kosten einer Baufinanzierung dramatisch senken lassen, ist die Handlungsweise keineswegs als moralisch unvertretbar zu bezeichnen.

Banken handeln immer zum eigenen Vorteil

Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsen halten sich die Institute an ihrer Kundschaft schadlos. Sie geben die Negativzinsen an institutionelle Kunden weiter und erhöhen die Kontogebühren für Privatkunden. Und wenn die Zinsen wieder steigen, werden im Handumdrehen die Kreditkosten angepasst.

Zum besseren Verständnis kann die augenblickliche Verfahrensweise der Bausparkassen beitragen. Die kündigen seit Wochen die hoch verzinsten Altverträge und nutzen dazu ebenfalls eine Art Widerrufs-Joker. Die von Kündigung betroffenen Verträge wurden von Kunden nur zur Erwirtschaftung von Zinsgewinnen unterzeichnet und dienen nicht zur Finanzierung von Eigenheimen. Es sind also die nicht in Anspruch genommenen Darlehen die wahren Kündigungsgründe. Einziger Unterschied: Den Kassen wirft niemand eigennützige oder moralisch unvertretbare Handlungsweisen vor. Sie nehmen ihre rechtlichen Möglichkeiten wahr und genau dieses Recht muss für Verbraucher auch gelten.